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Montagsseite:
Emotionen eines Physikers

25.12.2006
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Langzeitbelichtung des SternenhimmelsManch jemand denkt, alle physikbegeisterten Menschen seien derart in mathematische Theorien verstrickt, dass ihnen das Verständnis für alltägliche Lebenserfahrungen oder gar die Fähigkeit zu emotionalen Regungen abhanden gekommen ist. Sicher mag es sie geben, diese Menschen, die auf ein zärtlich ausgesprochenes "Schau, wie die Sterne funkeln" antworten würden: "Die Sterne selbst funkeln nicht. Ihr Licht, das durch die Verschmelzung von Atomkernen entsteht, ist von gleich bleibender Helligkeit. Es wird lediglich durch Unregelmäßigkeiten in der Dichte unserer Erdatmosphäre mehr oder weniger abgeschwächt, so dass es zu flackern scheint."

Aber glauben Sie mir, es gibt auch andere.

Sollten Sie sich spät abends noch gern zu Spaziergängen ins südliche Münsterland aufmachen, könnte es Ihnen beispielsweise passieren, dass Sie über den Körper eines Mannes stolpern, der dick eingemummt am Rande eines Feldwegs liegt, sein Gesicht zum Firmament gerichtet.

Können Sie sich vorstellen, dass ein physikalisch interessierter Mensch angesichts der unfassbaren Weite des eigenen Blickfelds die Kälte einer Winternacht vergisst und nur noch staunt?

Der Physiker weiß um den Tanz der Gestirne, die mit kaum fassbaren Geschwindigkeiten durch den Ballsaal des endlosen Weltraums jagen. Doch so weit sind sie entfernt, dass in tausenden von Jahren keine nennenswerte Veränderung des Sternenhimmels zu beobachten wäre.
Den Himmel, den wir sehen, gab es im Prinzip so auch schon vor vielen Tausend Jahren. Menschen unzähliger Generationen haben so wie dieser Mann am Feldrand einfach da gelegen und in die Nacht gestaunt. Sie haben die selben Sterne gesehen, ihre Farben bewundert, die Leuchtpunkte zu Mustern verbunden und ihnen Sternbildnamen gegeben.

Langzeitbelichtung des SternenhimmelsEs beruhigt den Mann, der am Rande dieses Feldes liegt, dass sich manche Dinge unserer Welt nicht verändern, denn sie erscheinen ihm gut so wie sie sind. In solchen Momenten sieht er mit den Augen des Kindes, das er einmal war, genauso wie mit den Augen des Greises, der er einmal sein möchte. Es ist der gleiche Blick und derselbe Anblick - heute, vor 30 Jahren und in 40 Jahren.

Vielleicht treffen Sie den gleichen Mann am Tage, wie er einen Baum umarmt - einen, den es vor 30 Jahren schon gab und den es in 40 Jahren noch geben wird.
Und vielleicht halten Sie diesen Mann für ein wenig verrückt.
Dabei sieht und spürt er doch nur die gleichen Wunder wie des Nachts unter der samtschwarzen Decke des Firmaments.

Atmen Sie dann einfach einmal tief durch. Schließen Sie die Augen. Halten Sie die Hand an einen Baum.
Und wenn sie den Baum spüren, dann spüren Sie auch sich selbst.

Frohe Weihnachten
W. Schmidt-Sielex

(mit Grüßen an MaK)


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